EINHEIT
Radio-Sendung von und mit Gerrit Gielen
TEIL 1
DER KOSMOS ALS EINHEIT
Ich möchte nun in drei Teilen den Begriff "Einheit" betrachten, und im ersten möchte ich über die Einheit des Kosmos - und damit auch über Philosophie, Physik - sprechen. Dies wird ein etwas schwierigeres technisches und auch philosophisches Kapitel sein, aber finde es doch recht wichtig, darüber etwas zu sagen, weil mir, als ich in der Universität war, auffiel, dass dort das Verständnis, dass das Universum sehr groß und sehr alt sei und ganz und gar in einzelne Teile aufgeteilt sei, noch als sehr selbstverständlich gilt. Doch das Universum ist tatsächlich ganz anders beschaffen.
Das Fundament des Universums ist nicht diese Aufteilung und Getrenntheit, das Fundament ist Einheit. Dennoch ist das Bild der Getrenntheit und Geteiltheit sehr tief verwurzelt. Sehr viele wissenschaftlich orientierte Menschen und auch Atheisten sehen den Menschen als eine Ansammlung von Atomen, als eine Ansammlung von Partikeln und Elementarteilchen an und sehen das Leben dann entsprechend als die Organisation dieser Ansammlungen von Teilchen. Und fallen diese Teilchen auseinander, ist man tot.
Mit diesem Bild stimmt etwas nicht. Begonnen natürlich schon auf rein menschlicher Ebene: Wenn wir mit einem Menschen sprechen, dann sehen wir diesen anderen als eine Einheit, nicht als eine Ansammlung von Teilchen. Wenn wir jemandem in die Augen sehen, sehen wir trotz dieser Ansammlung von Teilchen Einheit. Wir sind Eins und auch der andere ist Eins. Dasselbe gilt auch für das Universum als ein Ganzes. Das können wir zum Beispiel wahrnehmen, wenn wir nachts zum Sternenhimmel hinaufblicken, dann fühlen wir in unserem Herzen, dass sich dahinter eine Einheit verbirgt. Aber wie könnten wir das untermauern - physikalisch, philosophisch?
Der Schlüssel dazu liegt im Erfassen des Begriffs "Licht", denn mit ihm geht etwas recht Seltsames vor sich. Wenn wir nämlich die Geschwindigkeit des Lichts messen, messen wir immer ein und dieselbe Geschwindigkeit. Das bedeutet, das Licht ist immer um den selben Grad schneller als wir. Licht misst die Geschwindigkeit von 300.000 km pro Sekunde, und zwar unabhängig von unserer eigenen Geschwindigkeit! Licht ist immer 300.000 km pro Sekunde schneller als wir. Stehen wir hier auf der Erde auf der Stelle und lassen die Lichtstrahlen der Sonne passieren, dann messen wir 300.000 km pro Sekunde, und verfolgen wir die Lichtstrahlen, die von der Sonne ausgehen, rasend schnell mit einer Rakete, schießen diese noch immer mit derselben Geschwindigkeit an uns vorbei.
Jetzt könnten wir sagen: "Ok, ich muss noch schneller werden, ich muss diese Lichtstrahlen einholen! Dann werde ich das Licht sich immer langsamer bewegen sehen, wie wenn ich ein Auto auf einer Schnellstraße einhole." Nein, das wird nicht geschehen, denn jedes Mal, wenn wir schneller werden, wird auch das Licht schneller. Wir können es niemals einholen. Wie kann das sein? Das hat mit dem Begriff "Geschwindigkeit" zu tun. "Geschwindigkeit" bedeutet "Meter pro Sekunde", es verbergen sich darin also Zeit und Raum. Und was geschieht, wenn wir immer schneller werden, der Lichtgeschwindigkeit immer näher kommen, ist, dass Zeit und Raum zu verfließen und zu verschwinden beginnen. Unsere Zeit beginnt immer langsamer zu laufen und auch der Raum, den wir wahrnehmen, wird immer weniger. Und auf der Stufe oder Ebene des Lichts dann sind alle Zeit und aller Raum verschwunden.
Kommen wir zurück zu dem Bild des Sternenhimmels in der Nacht. Da sehen wir all diese tausenden prachtvollen Sterne und wir können in Astronomie-Büchern lesen, dass ihr Licht einen sehr langen Weg durch den Raum zurückgelegt hat. Aus unserem Blickwinkel heraus betrachtet ist das auch so. Der hellste Stern am Himmel, Sirius, befindet sich acht Lichtjahre entfernt. Das bedeutet, das Licht hat acht Lichtjahre gebraucht, um von dem Stern zu unserem Auge zu reisen. Doch vom Licht aus betrachtet ist das anders. Vom Licht aus betrachtet ist der Moment, wo das Licht den Stern Sirius verlässt und wo es unser Auge erreicht, derselbe. Mehr noch, es gibt dabei auch keinen Raum. Auf der Ebene des Lichts ist alles eins.
Und als ich darüber nachsann, entdeckte ich noch etwas, dass nämlich alles Licht - alles Licht, das je bestanden hat und je bestehen wird - etwas, ist, das im ewigen, zeitlosen Jetzt verkehrt. Mit anderen Worten: Wir blicken zum Sternenhimmel und wir sehen all diese Sterne weit voneinander entfernt stehen, doch von innen her gesehen, vom Licht selbst aus gesehen, besteht eine totale Einheit, ein ewiges Jetzt. Und das ist das Fundament. Es gibt dort, auf dieser Ebene des Kosmos, keine Zeit und keinen Raum. Man kann es daher so formulieren: Zeit und Raum sind ein Teil des Kosmos - sie sind ohnedies eins, die Raumzeit. Und es gibt dort Dinge. Leerer Raum ist nicht leer, man kann ihn verformen, auseinanderziehen, und auch die Zeit kann man theoretisch im Kreis laufen lassen. Es ist eine Einheit, und diese Einheit ist ein Teil des Kosmos.
Und so ist das Universum denn auch zu betrachten. Der Frage nach dem Alter des Universums liegt ein Fehlgedanke zugrunde, denn indem wir uns diese Frage stellen, implizieren wir damit im Grunde, dass das Universum etwas sei, das in der Zeit bestehe, und das ist ein in sich verkehrter Gedankengang. Zeit ist ein Teil, eine Komponente des Universums. Raum ist ein Teil, eine Komponente des Universums. Das Fundament aber ist die Einheit. Innerhalb dieser Einheit besteht so etwas wie Zeit und Raum. Was aber bewirken Zeit und Raum? Sie braucht man, um Getrenntheit zu kreieren.
Das Fundament ist also Einheit und innerhalb dieser Einheit besteht ein recht vertrackter Komplex von Zeit und Raum und dieser erschafft Getrenntheit. Das Fundament aber ist Einheit.
Das finden wir auch im Menschen wieder: Wenn wir mit einem anderen sprechen, sehen wir in erster Linie einen Menschen, als Zweites dann beachten wir auch seinen Körper und danach denken wir vielleicht daran, dass dieser Körper aus Körperzellen besteht. Aber das Fundament ist die Einheit. Und sie ist auch das Fundament des Kosmos. Einheit.
Wenn wir in Konzepten der Einheit denken, dann wird schnell selbstverständlich, dass wir mit dieser Einheit, mit der zeitlosen Einheit verbunden sind. Dann verliert sich auch die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Denn ein "Leben nach dem Tod" impliziert, dass wir Wesen sind, die in der Zeit bestehen, die im Raum bestehen. Aber tief innerlich sind wir das nicht. Tief innerlich sind wir - ebenso wie das Licht selbst - unabhängig von der Raumzeit. Wir sind. Wir sind ewig. Wir erfahren Raum, wir erfahren Zeit, aber wir leben nicht in der Zeit. Wir können dies ein Stück weit mit einem Auto vergleichen, das auf der Landstraße fährt: Das Auto ist nicht Teil des Weges, es fährt auf dem Weg. Ebenso sind auch wir auf einem Weg.
Wir schauen auf unsere Uhr, und diese Uhr läuft. Das bedeutet, dass wir mit der Zeit reisen. Wir kennen alle die Zeitrechnung in markanten Jahreszahlen - 1600, Schlacht bei Nieuwpoort, 1914, Beginn des ersten Weltkrieges und so weiter und so fort. Sie bezeichnen einen Weg und wir bewegen uns auf diesem Weg. Wir tun das. Unser Körper tut das nicht. Schauen wir uns einmal ein Foto von uns als Baby an: Da war unser Körper ganz anders. Dieser Körper ist nicht durch die Zeit gereist. Wir reisen durch die Zeit. Wir sind unabhängig von der Zeit. Wir erleben die Zeit. Der Glaube an Einheit ist der Glaube an eine Wirklichkeit, die unabhängig ist von Zeit und Raum. Und wir sind selbst ein Teil dieser Wirklichkeit. Wir sind unabhängig von Zeit und Raum. Wir sind einfach. Und aus diesem ewig Zeitlosen heraus erleben wir die Welt von Zeit und Raum, erleben wir Getrenntheit. Aber wir sind das nicht. Wir sind davon unabhängig.
Zu den nachfolgenden Kapiteln (bitte anklicken):
TEIL 2 DIE MENSCHHEIT ALS EINHEIT
TEIL 3+4 DER MENSCH ALS EINHEIT nebst MEDITATION FÜR INNERE EINHEIT
Vielen Dank für das Anhören meiner Sendung.
Autor der Sendung: © Gerrit Gielen (Link zur niederländischen Original-Aufnahme)
Übersetzung: Yvonne Mohr, https://www.lichtderwelten.de/index.php/betrachtungen/gerrit-gielen/betrachtungen-und-meditation-zum-thema-einheit/der-kosmos-als-einheit-