MENSCHEN  UND  ANGST

 

Sehr viele kennen es, dass bestimmte, harmlos erscheinende Ereignisse oder Handlungen uralte Ängste wecken und wir sie meiden, obwohl wir sie uns eigentlich herbeisehnen. Um aus dem Konflikt herauszukommen, der dabei entsteht, verdrängen wir, dass diese Dinge uns wichtig sind. Wir wissen einfach nicht, was wir mit der Angst machen sollen.

Nahezu alle Ängste stammen aus bedrohlichen zurückliegenden Situationen und scheinen heute überholt zu sein. Ihre Daseinsberechtigung scheint inzwischen abgelaufen, aber ihr Einfluss auf uns noch ungemindert. Viele dieser Ängste sind eher unaffälliger Natur, weil sie den Alltag nicht maßgeblich einschränken und sich recht mühelos umschiffen lassen. Sobald jemand aber eine immer schwelende Angst hat, beispielsweise eine Lebensgrundlage zu verlieren oder verlassen zu werden, kann die Schonhaltung, die aus dieser Angst entsteht, schon zu einer massiven Belastung werden und zu großer Verzweiflung führen.

Wenn ein Mensch merkt, dass es so nicht mehr weitergeht, beginnt er verstärkt, nach einer Lösung zu suchen. Viele Menschen raten ihm dann, von nun an immer positiv zu denken, andere, einfach so lange mitten in das hineinzugehen, was er fürchtet, bis er die Angst nicht mehr spürt.
Beides ist eine Missachtung des Inneren dieses Menschen. 
Und manch einer kann davon berichten, wie es ist, wenn der Deckel sich plötzlich hebt, nachdem es ihm längere Zeit gelang, alles unter Kontrolle zu halten.
Neben der Verleugnung der inneren Aspekte, die verzweifelt auf sich aufmerksam machen wollten, ist zudem die innerkörperliche Stress-Situation, die durch sie ausgelöst wird, unverändert. Die Situation im Körper ist ein exaktes Spiegelbild unseres emotionalen Gefüges. 

Genau so entstehen gesundheitliche Beschwerden: Jedes noch so kleine Symptom des Körpers ist die biologische Antwort auf ungelöste, belastende Gefühle. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Gefühle von uns wahrgenommen oder verdrängt werden. Das von der unterdrückten Emotion - und damit von einer Blockade - betroffene Organ bleibt energetisch unterversorgt und wird weniger widerstandsfähig. Nur in energetisch blockierten Körperbereichen kann eine Krankheit entstehen.

Wenn wir außerdem gezielt Dinge tun, die wir fürchten, dann härten wir zwar, äußerlich betrachtet, möglicherweise tatsächlich ab, werden jedoch auch unsensibler. Währenddessen aber ist die Angst unverändert vorhanden und nagt fortan versteckt nach innen an uns. Wie auch immer dies gesundheitlich ausgeht: Wir verlieren seelisch an Feingefühl und Mitgefühl, an Integrität - auch und vor allem uns selbst gegenüber - und an Lebendigkeit.
Daneben ist es kein Akt der Selbst-Liebe, seine Ängste zu verbellen, statt sich zu fragen, ob es für sie nicht eine dringende Ursache gibt, die wir liebevoll in die richtigen Gleise führen könnten. Und dies auch deshalb, weil wir dann die darin gebundene Energie endlich wieder freisetzen und für ein positives Leben einsetzen können, also die in unserem Verleugnungs-Verhalten liegende Einschüchterungs-Kraft wieder in Bejahungs-Kraft umsetzen und die Kraft der verdrängten Emotion wieder zu einer zur Verfügung stehenden Lebens-Kraft transformieren können.

Was das positive Denken betrifft: Wenn wir negativ denken, dann hat das seine Ursache, und diese Ursache verschwindet nicht, nur weil wir von jetzt an versuchen, uns negatives Denken zu verbieten. Im Gegenteil: Meist wird dies bereits nach kürzester Zeit zum Verzweifeln schwierig und endet im Gegenteil. Der Fokus sollte sich nicht auf unsere negativen Gedanken richten, sondern auf ihre Ursache. Und dabei sollte vor allem auf unser Verhältnis zu dieser Ursache geschaut und sie liebevoll und achtsam angenommen werden. Dann geschieht Heilung fast sofort.

In beiden Fällen - der Abhärtung und dem positiven Denken - missachten wir uns selbst. Wir behandeln uns als Versager, Verlierer oder geistig Kranke, deren Emotionen unbegründet, unsinnig oder schwachsinnig und verachtenswert sind. Wir werden zu Menschen, die sich selbst den Kampf ansagen und gegen sich in den Krieg ziehen. Dass wir unsere eigenen Emotionen überhaupt als quälend empfinden, zeigt unsere verquere Haltung uns selbst gegenüber. Es mag sein, dass dies alles auf dieser Welt völlig normal ist, aber da geht so viel mehr!

Schon der Ansatzpunkt, überhaupt etwas an der Angst verändern oder sie einsperren oder sonstwie zurückbrüllen zu wollen, ist völlig verdreht. Angst ist lediglich ein Gefühl, eine besondere Empfindung. Nur eben eine Empfindung, die wir fürchten gelernt haben, weil uns beigebracht wurde, dass sie unser Feind ist, und nicht wie wir achtungsvoll mit ihr umgehen und als Gewinner daraus hervorgehen können - nicht als Gewinner gegen die Angst, sondern für unser Leben.
Wenn wir vor der Angst fliehen, dann fliehen wir vor uns selbst. Wenn wir sie bekämpfen, bekämpfen wir uns. Wenn wir sie aber einladen und transformieren, laden wir uns ein und sind außerdem energetisch reicher und größer als je vorher.
Wenn wir vor der Angst fliehen, wächst sie jedes einzelne Mal ein Stückchen, und wir werden immer kleiner, weil wir uns selbst durch unsere Flucht signalisieren, dass wir unterliegen und keine Wahl haben. Sie hat uns nächstes Mal noch stärker im Griff. Wir sind die immer ängstlicher werdenden Flüchtlinge und sie der scheinbar wachsende Verfolger.
Und wenn wir sie bekämpfen, sind wir im Krieg. Von jetzt an sind wir Feinde, egal, ob der Feind eigentlich ein Teil von uns ist und wir uns in jeder Hinsicht in ihm täuschen, in komplett missverstehen.

Wenn wir die Angst wegdrücken, indem wir sie vermeiden, verschütten, sie überspielen und verdrängen, müssen wir in jeder Sekunde ein Auge darauf haben, dass dieser Druck nicht sinkt. Das läuft unbewusst ab, kostet aber deswegen nicht weniger Energie. Klar, verglichen mit unserer uns versorgenden Quelle ist es nur relativ wenig Energie, das ist wohl wahr, aber was, wenn wir schon Hunderte von Ängsten auf diese Weise niederdrücken? Und wenn wir uns mit jeder Unterdrückung mehr von der Versorgung mit neuer vitaler Kraft und Energie abtrennen?
Ganz schlimm wird es, wenn wir die Angst mit Medikamenten oder Betäubungsmitteln fortzudrängen versuchen. Im letzteren Fall bekommen wir bereits am nächsten Tag die Katerstimmung zu spüren und das meine ich nicht nur in körperlicher, sondern vor allem emotionaler Hinsicht. In beiden Fällen jedoch lässt unsere Fähigkeit, uns den Dingen zu stellen, rapide nach, und die Sehnsucht, von nun an immer so weichgespült durch den Alltag zu gehen, macht viele Menschen nach und nach süchtig und wehrlos.


All das kann nicht die Lösung sein. Denn ich weiß inzwischen sicher, dass es für alles eine optimale Lösung gibt, die frei von Nebenwirkungen ist, und dass es sich immer lohnt, nach ihr zu sehen. Aufgrund meines turbulenten Lebens - das gespickt war mit Ängsten - habe ich früher etliche Selbstfindungs-Techniken und Therapie-Methoden kennengelernt und in meinen 20ern an einem besonders schlimmen Abend sogar ein Psychopharmakum eingepfiffen und mir damals eines anderen Tages gesagt, ich könne ja jederzeit abtreten (was es fortan leichter machte, durchzuhalten). 
Irgendwann stellte ich fest, dass kein Gespräch, keine Analyse, kein Medikament, keine psychologische Strategie jemals einen Menschen von einer Angst wirklich befreit hat, solange sie bei der Theorie und in der Ratio blieb. Selbst wenn es so schien, stellte sich irgendwann heraus, dass die Angst lediglich gut weggepackt und in der Folge streng kontrolliert worden war (während meiner Ausbildung zur Heilpraktikerin arbeitete ich, um gut über die Runden zu kommen, als Schreibkraft in Arztpraxen, u.a. bei zwei renommierten Neurologen und Psychotherapeuten. In dieser Zeit schrieb ich Hunderte von Arztbriefen, Therapieverordnungen, Gutachten und Anträgen zur Frühberentung und habe die meiste Zeit fassungslos miterlebt, welchen Weg dort die Gesundheit der Menschen mit schwerwiegenderen Problemen nahm. Klar und deutlich sichtbar gerieten viele vormals körperlich gesunde 'Patienten' sukzessive in den gesundheitlichen Ruin, weil die seelischen Probleme professionell verdrängt und in die Tiefe gedrückt worden waren). 


Eines noch: Wir wettern gern gegen das Ego, gegen Ängste, gegen alte Überzeugungen, gegen die wir nicht ankommen, unsere verschiedenen inneren Strukturen, die uns in unserer Freiheit einschränken... Sie sind alle enorm wichtig gewesen! Keine von ihnen ist aus Jux und Tollerei entstanden! Bedenkt das, und sei es als kleine Vorübung für ein kleines bisschen Selbst-Verständnis.

 

 

 

 

  

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